Wenn ein Vertreter aus der pharmazeutischen Industrie, wie ich einer bin, sagt, er möchte höhere Preise für Arzneimittel durchsetzen, dann denken sich viele gleich: Was? Noch höhere Preise? Für die Pharmariesen, die eh schon so hohe Gewinne machen? Frechheit!
Und da liegt er schon begraben, der Hund. Da es bekanntlich um’s Detail geht, ist, wie so oft, auch hier eine differenzierte Sichtweise angebracht. Denn die Pharmariesen sind nicht mit der pharmazeutischen Industrie gleichzusetzen.
Eine Familie, viele unterschiedliche Mitglieder
So unterschiedlich, wie sich die Industrie anhand der Firmengröße darstellt, ist sie es auch in Bezug auf die Portfolios der Unternehmen, sprich ob Unternehmen bewährte Medikamente herstellen und vertreiben, oder ob sie im innovativen Sektor tätig sind. Auch der Umstand, wo die Unternehmen ihre Produktion haben, macht einen Unterschied. Es ist wie in einer Familie, die aus großen und kleinen, jungen und alten, männlichen und weiblichen Mitgliedern besteht.
Und wenn wir schon von Riesen sprechen: die österreichischen produzierenden Unternehmen zählen überwiegend zu den Klein- und Mittelbetrieben, gemessen an der Zahl der Mitarbeiter:innen. Nur ein Zehntel sind Großunternehmen. Doch sollten wir ein Unternehmen nicht anhand seiner Größe für besser oder schlechter befinden. Der Hund liegt ohnehin anderswo begraben.
Krisengewinnler? Mitnichten.
Unabhängig von der Größe brechen wir mit unserer Forderung nach fairen Preisen eine Lanze vor allem für jene Unternehmen, die hart am Deckungsbeitrag produzieren und die darum kämpfen, ihre Produkte trotz steigender Kosten, in der Versorgung halten zu können. Denn Inflation, höhere Kosten bei Energie, Löhnen und Gehältern, Roh- und Zusatzstoffen, längere Lieferzeiten, all das setzt ihnen zu. Und sie können die Preise ihrer Arzneimittel bei alledem nicht anheben, weil sie es nicht dürfen.
Dabei wäre laut Austrian Health Report für über 90 Prozent der Österreicher:innen eine stärkere Unabhängigkeit Österreichs in der Medikamentenproduktion wichtig. Für knapp zwei Drittel wären auch die damit verbundenen höheren Kosten für das österreichische Gesundheitssystem vertretbar.
Arzneimittelversorgung sicherstellen
So weit so gut. Was jetzt noch fehlt, sind die logischen Konsequenzen daraus. Denn was sich nicht ausgehen wird, ist ein permanentes Drehen an der Preisschraube und gleichzeitig zu fordern, dass die Arzneimittelversorgung sicherer gemacht werden solle.
Ja, eine funktionierende Versorgung fußt nicht allein auf entsprechend fairen Arzneimittelpreisen. Da gibt es noch viele andere Faktoren. Doch die Preise sind gewiss einer davon und ein ausgesprochen wichtiger.
Made in Europe, Made in Austria, das kann die Versorgungssicherheit langfristig positiv beeinflussen. Aber dazu brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen, die die Unternehmen, die wir in Österreich haben, hierbleiben lassen und andere, die noch nicht da sind, möglichst zum Herkommen bewegen. Das hat nur Vorteile. Für die Versorgung, die Patientinnen und Patienten, die Arbeitswelt, das Steuersystem – für alle und alles.