Jüngste Einsparungsansätze schränken Verschreibungsfreiheit ein und führen zu Verunsicherung bei Patienten.
Wien, 8. September 2017 – In einem in der heutigen Presse erschienenes Interview spricht sich Hauptverbandschef Dr. Alexander Biach unter anderem für Einsparungsmaßnahmen bei den Arzneimittelausgaben aus. Dazu Mag. Martin Munte, Präsident der Pharmig, Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs: „Über Einsparungen nachzudenken, ist nie verkehrt. Allerdings muss dabei eines im Auge behalten werden: Wer profitiert davon und wer leidet darunter? In diesem Falle sind es die Patienten, die hier Schaden nehmen würden.“ Biach fordert die Einführung einer Regelung, die Ärzte in Zukunft zwingen soll, lediglich einen Wirkstoff zu verschreiben und kein Medikament mehr. Der Apotheker hätte damit die Verpflichtung, das billigste Arzneimittel in der entsprechenden Wirkstoffgruppe auszuhändigen. Dazu Munte: „Wir haben bereits sehr strikte Preisregelungen in Österreich. Damit gehen oftmalige Überprüfungen der Preise einher, wodurch Arzneimittel ohnehin immer billiger werden. Würde diese Zwangsmaßnahme eingeführt werden, so hieße das, dass Patienten nicht mehr wie bisher auf ihr bewährtes Arzneimittel vertrauen können, sondern dass sie im Extremfall jeden Monat ein anderes bekommen, eben weil die Preise in Bewegung sind. Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme, schon gar nicht im Sinne der Therapietreue, also dass ein Patient sein Medikament auch wirklich konsequent einnimmt.“
Auch Pharmig-Generalsekretär Dr. Jan Oliver Huber sieht die Forderungen des Hauptverbands kritisch: „Wir müssen selbstverständlich darüber nachdenken, wo wir im Gesundheitswesen effizienter werden können. Und da ist es auch richtig, Synergien zu nutzen, wie Dr. Biach andeutet. Speziell die strikte Trennung von Spitals- und niedergelassenem Bereich treibt die Kosten im Gesundheitssystem beständig nach oben. Da sollte angesetzt werden, da sollten jahrelange Doppelgleisigkeiten und unnötige Ausgaben vermieden werden. Damit das Geld, das hierfür ausgegeben wird, nicht den Erhaltern, sondern den Patienten zugutekommt. Schließlich sollte das Ziel eines solidarischen Gesundheitswesens sein, dass wir die bestmögliche Versorgung haben und nicht, dass starre Strukturen noch mehr einzementiert werden.“
Huber spricht damit auch die jüngste Studie zur Effizienzsteigerung der Sozialversicherungen an: „Sich auf ein Modell zu einigen, bei dem bei den Strukturen alles beim Alten bleiben kann, ist aus politischer Sicht logisch – denn damit wird jedweder Machtverlust verhindert. Aber im Sinne eines zukunftsträchtigen, leistungsfähigen Gesundheitssystems scheint mir das nicht zu sein. Und auch nicht im Sinne der Patienten“, sagt Huber.
Außerdem fordern beide Verbandsvertreter, jedwede Diskussion über Einsparungspotenziale auf sachlicher und faktenbasierter Ebene zu führen. Dazu Munte: „Wir brauchen keine Polemik und keine Schnellschüsse, sondern müssen aufgrund von Fakten und im partnerschaftlichen Dialog miteinander Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren.“ Im Interview ist beispielsweises die Rede davon, dass der Umsatzanteil der Generika 19 Prozent vom Gesamtmarkt betrage. Das allerdings ist irreführend. Denn dieser „Gesamtmarkt“ beinhält sowohl den niedergelassenen als auch den Spitalsbereich. Die Ausgaben für Arzneimittel in den Spitälern tragen allerdings nicht die Krankenkassen. Diese übernehmen die Kosten im niedergelassenen Bereich. Und dort beträgt der Anteil der Generika immerhin 53 Prozent. Dieser Anteil steigt kontinuierlich. Zudem sind Hersteller von Originalprodukten dazu verpflichtet, ihren Preis drastisch zu senken, sobald ein Nachahmerprodukt auf den Markt kommt. Die strikte Generikaregelung führt sogar dazu, dass Originalprodukte zuweilen weniger kosten als ihre generischen Nachfolger.
„Die Rezeptgebühr wird laufend angehoben, wir haben strikte Preisobergrenzen bei Arzneimitteln, die Krankenkassen erhalten Solidarbeiträge der Pharmawirtschaft in Millionenhöhe – und auf der anderen Seite sitzen sie auf drei Milliarden Euro angehäufter Reserven. Die Patienten haben etwas Besseres verdient als Krankenkassen, die Geld horten, Ärzte in ihrer Verschreibungsfreiheit behindern und gleichzeitig immer höhere Zuzahlungen von Patienten verlangen“, so Huber.