Weckruf für klinische Forschung in Österreich
Die Zahl an klinischen Prüfungen sinkt kontinuierlich. Das wirkt sich negativ auf die rasche Verfügbarkeit innovativer Arzneimittel und auf den Forschungsstandort insgesamt aus.
Wien, 17. Mai 2018 – Klinische Prüfungen sind in der Arzneimittelentwicklung unerlässlich. Dabei werden neue Wirkstoffe in einem stark überwachten Rahmen an Menschen geprüft. Die Studienteilnehmer profitieren vom frühen Zugang zu neuen Arzneimitteln, die bisherige Therapien verbessern oder zuvor nicht behandelbare Krankheiten behandelbar machen sollen. Doch immer weniger Menschen kommen in den Vorzug dieser frühen Therapieoptionen. Denn: die Zahl der bei der Behörde beantragten klinischen Prüfungen in Österreich sinkt seit Jahren. Der bisherige Tiefststand wurde letztes Jahr erreicht, mit 234 Anträgen. Das ist bereits um über ein Drittel weniger als noch vor zehn Jahren, als es 349 waren. Europaweit wurden 2017 an die 4.400 Studien beantragt.
Aus Anlass des am 21. Mai weltweit stattfindenden „Clinical Trials Day“ mahnt Mag. Martin Munte, Präsident der Pharmig, mehr öffentliches Engagement bei und ein Bekenntnis für den Nutzen klinischer Forschung ein: „Österreich ist immer weniger innovationsfreundlich. Wenn die Zahl an beantragten Studien laufend sinkt, wirft das ein negatives Licht auf den Forschungsstandort insgesamt. Gerade in der Arzneimittelentwicklung gibt es viele Akteure, die aus einem starken Forschungsumfeld einen Nutzen ziehen können. So gewinnen Ärzte wertvolles Wissen über neue, innovative Arzneimittel und können dieses dann für die Behandlung ihrer Patienten nutzen.“
Munte warnt zudem davor, dass Österreich auch bei den forschenden Unternehmen an Attraktivität verlieren könnte: „Die Niederlassungen multinational tätiger Firmen konkurrieren untereinander. Da geht es etwa darum, welches Land die besten Rahmenbedingungen für die Durchführung der klinischen Prüfungen bietet: Wo gibt es die beste Infrastruktur? Wo ist ausreichend geschultes Personal vorhanden? Wo finde ich die nötige Zahl an Studienteilnehmern? Und nicht zuletzt auch die Frage der finanziellen Anreize. Wo das Gesamtpaket am überzeugendsten ist, dort werden die Studien durchgeführt. In der Regel sind die neu entwickelten Therapien dann auch für die dortige Bevölkerung als erste verfügbar.“
Was eine positive Einstellung zu Forschung und Innovationen bedeutet, führt Belgien vor Augen: Dort wurden laut dem Report „Belgium, a European leader in clinical trials“ im Jahr 2016 507 neue klinische Studien beantragt. Im Vergleich zur Einwohnerzahl zählt Belgien damit zu den in der klinischen Forschung führenden Ländern in Europa. „Belgien fährt eine äußerst innovations- und forschungsfreundliche Politik. Seit 2017 gibt es dort ein ‚National Innovation Office‘ innerhalb der Behörde, das Universitäten und Unternehmen unterstützt und als eine zentrale Anlaufstelle für wissenschaftliche, technische und regulatorische Anfragen dient“, so Munte.
Belgien setzt darauf, dass schon die frühen Phasen in der klinischen Forschung dort durchgeführt werden. Munte erklärt den Sinn dahinter: „In der frühen Phase wird wichtiges Know-how generiert, auf das bei den späteren Phasen aufgebaut werden kann. Eine solche Strategie wäre auch für Österreich wünschenswert und notwendig.“