Aspekte der Nutzenbewertung bei neuen Arzneimitteln im Fokus der ersten Fachtagung der Pharmig Academy.
Wien, 20. Oktober 2016 – Die systematische Analyse und Bewertung von Arzneimitteln, medizinischen Verfahren und Technologien auf Basis von Health Technology Assessments (HTAs) wird europaweit immer bedeutsamer. Durchführung, Einsatz und Anwendung dieser HTAs erfolgen in den einzelnen Ländern der EU sehr unterschiedlich. Erklärtes Ziel der EU-Kommission ist es letztlich, europaweit dieselben Standards in Bewertung und Zugang zu Diagnostik und Behandlung sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund lud die Pharmig Academy Experten zum Erfahrungs-Austausch über die europäischen Strategien und nationale Umsetzung der diversen Bewertungsmodelle. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Alexander NATZ von der European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs (EUCOPE) in Brüssel.
Die erste Vortragende, Dr. Luciana BALLINI von der Regional Agency for Health and Social Care in Bologna (ASSR-RER), ging auf die Voraussetzungen und Leistungen eines Health Technology Assessments ein. Klar sei, so BALLINI, dass wissenschaftliche Informationen vorhanden sein müssen, um ein HTA durchzuführen, denn HTA basiere auf klinischer Evidenz. Alle an einem HTA Beteiligten müssten gut zusammenarbeiten, damit die notwendigen Informationen zirkulieren können. Je eher Daten generiert und ausgetauscht werden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Innovationen für Patienten letztlich auch rasch verfügbar sind, weil das HTA zeitnah und rasch durchgeführt werden kann. Eine der Herausforderungen sieht BALLINI darin, das Multi-HTA-Modell, in dem viele HTA-Organisationen überregional zusammenarbeiten, in die Selbständigkeit zu entlassen, sprich die Weiterentwicklung von einem EU-gesponserten hin zu einem sich selbst erhaltenden Modell.
Im Vortrag von Wim GOETTSCH, PhD, Direktor des niederländischen EUnetHTA JA3 Sekretariats am Zorginstituut, ging es um die Zusammenarbeit im Bereich HTA auf europäischer Ebene. Ziel sei, Doppelgleisigkeiten zu verhindern, die unterschiedlichen, nationalen HTAs anzugleichen und damit die Effizienz zu steigern. Eine Analyse von in mehreren Ländern durchgeführten HTAs für ein Hepatitis-C-Medikament habe gezeigt, dass der HTA-Markt stark fragmentiert und von Verzögerungen geprägt sei.
Dr. Matthias WILKEN vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in Deutschland sprach über das AMNOG-Verfahren, das in Deutschland seit einigen Jahren im Zuge der Nutzenbewertung verpflichtend Anwendung findet. Damit wird der Preis eines neuen Arzneimittels anhand des Zusatznutzens festgelegt.
Das Fazit nach fünf Jahren AMNOG aus Sicht der Behörde gab Wolfgang KAESBACH, stellvertretendes unparteiisches Mitglied der "AMNOG"-Schiedsstelle, wider. Es handle sich bei einem solchen Verfahren um eine sehr komplexe Situation, da viele Parameter in die Entscheidung einfließen. Auch er betont, wie schon BALLINI, dass, je besser die Datenlage, umso leichter durchführbar ist in der Folge das Beurteilungsverfahren. Wobei die Philosophie des AMNOG, dass der Preis dem Nutzen für die Patienten folge, nicht verhandelbar sei, wie KAESBACH betont.
Der österreichische Umgang mit HTA wurde durch Mag. Ingrid ROSIAN-SCHIKUTA (GÖG, Gesundheit Österreich GmbH) dargestellt. Sie sprach über die vom BMG initiierte nationale HTA-Strategie, die das Ziel hat, HTA in Österreich besser zu verankern und die Qualität zu sichern.
Den Expertendiskurs der Pharmig Academy zum Thema HTA rundete Dr. Gottfried ENDEL vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (HV) ab. Er stellte die diesbezüglichen Aktivitäten im Hauptverband und die Schnittstellen nach Europa dar. Seit 2006 ist der HV Partner in der EUNetHTA. Von 2012 bis 2015 nahm er an einem europaweiten HTA-Projekt teil und war für das Thema Evaluation verantwortlich. Dabei wurde die Frage des zusätzlichen Nutzens auf europäischer Ebene untersucht und die Frage gestellt: "Was ist der Nutzen für den HV als Partner bzw. als Member State?"
Hoher Nutzen im Zuge der Teilnahme an einem länderübergreifenden HTA-Projekt sahen die Beteiligten im HV im Informationstransfer, Kapazitätsaufbau und in der Qualitätssteigerung der eigenen Tätigkeit. In diesem Sinne sei, so ENDEL, eine Kompensation für die teilnehmende Institution wesentlich. Es gäbe in Österreich noch Aufholbedarf im Bereich HTA, wobei dank der Gesundheitsreform bereits Schritte in die richtige Richtung gesetzt wurden, zog ENDEL sein Conclusio.