Österreich nach wie vor kein „innovation leader“; Bund, Länder und Krankenhausträger können und sollen notwendige Impulse zur Stärkung des Forschungsstandortes setzen.
Wien, 19. Mai 2016 – „Seit mittlerweile drei Jahren stagniert die österreichische Forschungsquote – es wird höchste Zeit, aktiv zu werden und sich für den Forschungsstandort Österreich einzusetzen“, fordert Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, anlässlich des bevorstehenden internationalen Tages der klinischen Forschung. Gut ausgestattete Forschungszentren, raschere und unbürokratischere Vertragsabwicklungen sowie ausreichend Zeit und Ressourcen für klinische Forschung sind beispielsweise erforderlich, um den Forschungsstandort Österreich attraktiver zu gestalten und wettbewerbsfähig zu bleiben. „Wir brauchen eine höhere Prozessorientierung zwischen den Stakeholdern, um Vertragsabwicklungen und Genehmigungen unkompliziert zu ermöglichen“, konkretisiert Huber. Denn ohne klinische Prüfungen gäbe es keine Innovation und somit auch keine Verbesserung der medizinischen Versorgung zukünftiger Patienten. Dies müsse allen bewusst sein, so Huber.
Die pharmazeutische Industrie trägt mit Forschungsaufträgen maßgeblich zur Wertschöpfung bei und weist im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen eine hohe Innovationsaktivität auf. Eine aktuelle Umfrage der Pharmig bei ihren Mitgliedsunternehmen zeigt jedoch, dass die Anzahl der klinischen Prüfungen in Österreich leicht rückläufig ist. Waren es 2013 noch 497 Industrie-gesponserte klinische Prüfungen mit insgesamt 6.682 Studienteilnehmern, so sank die Zahl der Studien im Jahr 2015 auf 469 und die der beteiligten Patienten auf 5.313. Einen Grund für diese Stagnation beschreibt Huber wie folgt: „Nach wie vor tragen Unternehmen den größten Anteil an Forschungsausgaben in Österreich. Ist aber das Bewusstsein für den Nutzen klinischer Prüfungen in Entscheiderkreisen mangelhaft und damit ebenso die Unterstützung durch den öffentlichen Sektor, überlegen sich Unternehmen zweimal, ob sie sich auf das enorme Risiko einer Arzneimittelentwicklung einlassen können.“
Viele Patienten, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, profitieren von einem frühzeitigen Zugang zu innovativen, in vielen Fällen lebensrettenden Arzneimitteln – oft Jahre bevor diese am Markt erhältlich sind. Studienteilnehmer werden auch besonders gründlich und engmaschig überwacht und erhalten dadurch eine bestmögliche Betreuung. Klinische Prüfungen sind die Grundlage für die „evidenzbasierten Medizin“: Sie liefern den Ärzten den objektivsten Nachweis über Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Das kommt letzten Endes allen Patienten zu Gute. Klinische Forschung ist aber auch ein wichtiger Bildungs- und Wirtschaftsfaktor. Sie fördert wichtigen fachlichen Erfahrungsaustausch der beteiligten Ärzte und schafft hochqualitative Arbeitsplätze. Die Kosten der Behandlungen werden von den Auftraggebern der klinischen Prüfung übernommen, etwa pharmazeutische Unternehmen oder Forschungseinrichtungen. Krankenhäuser und Krankenkassen können dadurch Behandlungskosten einsparen.
Eine Chance, klinische Forschung in Österreich voranzutreiben, wäre die baldige Umsetzung eines Pilotprojektes zur Vorbereitung der in 2018 eintretenden Clinical Trials Regulation und der damit verbundenen Anpassung der Prozesse an diese EU-Verordnung. Länder wie Belgien, Frankreich, Spanien oder Deutschland engagieren sich bereits jetzt aktiv mit solchen Testphasen, um sich auf die bevorstehenden Änderungen frühzeitig einzustellen. Mit der Durchführung einer Pilotphase können Unternehmen somit einen Startvorteil gegenüber Unternehmen anderer Länder gewinnen, die erst mit 2018 die Umstellung ihrer Prozesse vornehmen. Die heimische Industrie begrüßt daher ein auch in Österreich geplantes Pilotprojekt und sieht damit für Österreich eine große Möglichkeit ein positives Zeichen für die klinische Forschung zu setzen. „Die Bedeutung und der Nutzen klinischer Forschung muss bei Bund, Ländern aber auch bei den Krankenhausträgern ankommen. Nur wenn Konsens besteht, können wir gemeinsam Österreich als qualitativen Forschungsstandort international etablieren und ein hohes Niveau an medizinischer Versorgung gewährleisten“, so Huber.
Mehr Informationen zum Thema klinische Forschung sowie zur Pharmig- Umfrage finden Sie hier.