Hoffnung besteht auf bald verfügbare medikamentöse Therapien oder Impfungen. Dennoch muss Sicherheit für Patienten gewährleistet sein. Dieser Prozess benötigt Zeit.
Wien, 27. März 2020 – Die Forschung in Sachen COVID-19 läuft auf Hochtouren. Dabei werden unterschiedliche Forschungs- und Heilversuchsansätze zur präventiven und symptomatischen Behandlung mit bereits zugelassenen wie auch neuen Therapien verfolgt. Entsprechende Projekte laufen in Österreich als auch international. Warum man einerseits viel früher mit einer medikamentösen Therapie oder einem Impfstoff rechnen darf, als dies unter normalen Umständen der Fall wäre und warum diese andererseits nicht sofort verfügbar gemacht werden können, erklärt Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG so: „Die Forschung setzt im Fall von SARS-CoV-2 nicht bei null an, sondern bei bereits vorhandenen Entwicklungsprojekten. Gleichzeitig können aber die einzelnen Phasen in der Erforschung eines Arzneimittels oder Impfstoffs nicht übersprungen werden. Ein Medikament muss sicher sein, ehe es den Patienten zur Verfügung gestellt wird. Daran führt kein Weg vorbei und diese Prüfung dauert eine gewisse Zeit.“
Die Entwicklung eines Arzneimittels wird in einzelne Phasen unterteilt. Die vorklinische Phase, in der Wirkstoffe im Labor sowie im Tierversuch erprobt werden, ist die erste. „Gerade im Falle von COVID-19 haben wir das Glück, dass diese Phase, die oft mehrere Jahre dauert, kürzer sein kann, weil entweder laufende Forschungsprojekte auf COVID-19 umgelenkt oder weil abgebrochene Projekte wieder aufgegriffen werden“, so Herzog.
An die Grundlagenforschung schließt die klinische Phase an, die grob in drei Phasen unterteilt wird: In Phase I wird der Wirkstoff erstmals an gesunden Menschen angewendet, um dessen Verhalten im menschlichen Körper festzustellen („First-In-Man“-Studie). Dazu Stefan Kähler, Vorsitzender des PHARMIG Standing Committees Klinische Forschung: „Dabei möchte man Informationen über Verträglichkeit, Aufnahme und Ausscheidung des Wirkstoffes und dessen Verstoffwechslung gewinnen.“ In Phase II geht es um die richtige Dosierung. An diesen Studien nimmt eine geringe Anzahl an Patienten teil, die von der zu bekämpfenden Krankheit betroffen sind. In Phase III schließlich wird der neue Wirkstoff an einer Vielzahl von Menschen erprobt. Hier geht es darum, dessen Wirksamkeit sicher belegen zu können und gleichzeitig auch, eventuell auftretende Nebenwirkungen zu erfassen.
„Diese Phasen dauern im Normalfall ebenfalls Jahre, sodass man insgesamt von etwa 13 Jahren Entwicklungszeit ausgehen muss, bis ein Arzneimittel zur Marktreife gebracht wird. Aber im Falle von COVID-19 setzt man alles daran, diese Phasen sowie die Zulassung zu beschleunigen“, erklärt Kähler. Eine schnellere Zulassung eines neuen Arzneimittels oder Impfstoffes ist etwa im Rahmen eines „conditional approval“ möglich, wenn es um lebensbedrohliche Erkrankungen oder Krisensituationen geht, wie etwa bei einer Pandemie. „So eine bedingte Zulassung ist zunächst auf ein Jahr befristet und der Arzneimittelhersteller ist gefordert, Belege nachzuliefern, um eine reguläre Zulassung zu ermöglichen“, so Kähler.
Im Falle von SARS-CoV-2 laufen derzeit nach Angaben der WHO zwei Impfstoff-Studien in der klinischen Prüfung, 48 befinden sich noch in der präklinischen Phase. „Wie viele Arzneimittelstudien laufen, ist dagegen weit schwieriger zu sagen, denn sehr viele pharmazeutische Unternehmen screenen derzeit weltweit ihre Substanzen dahingehend, ob diese auch beim Coronavirus eingesetzt werden können“, nimmt Herzog auf die aktuelle Situation Bezug. Mit dabei sind viele Pharmaunternehmen und Mitglieder der PHARMIG, unter anderem AbbVie, Amgen, AstraZeneca, Bayer, Boehringer Ingelheim, CSL Behring, Eli Lilly, Gilead, Janssen, Marinomed, Medice, Merck, Merck Sharp & Dohme, Novartis, Pfizer, PharmaMar, Sanofi und Takeda.
Herzog und Kähler sehen Forschung generell als Zukunftsvorsorge: „Wichtig ist, dass man an den derzeitigen Forschungsprojekten dranbleibt. Denn nur gute und fundierte Wissenschaft und Erkenntnisse helfen uns, dass wir für eine allfällige nächste Pandemie mit einem ähnlichen Erreger gut gerüstet sind“, so Kähler. Herzog appelliert in diesem Zusammenhang auch an die Politik: „Was jetzt auf Forschungsebene passiert, ist großartig. Umso wichtiger ist es, dass wir für die Zukunft auch die nötige Infrastruktur schaffen, Personal bereitstellen, Arbeitszeitmodelle schaffen und unsere Spitäler sowie Krankenhausträger für Forschungsprojekte stärker vernetzen, damit Österreich als Forschungs-Hotspot eine gewichtige Rolle spielt.“
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