Nationale Medikamentenlager sind kritisch zu sehen. Wirkungsvollere Maßnahmen wären eine Preisanpassung an die Inflation sowie eine nachhaltige Standortstrategie.
Wien, 20. Juni 2024 – Heute wurde eine Verordnung zur Bevorratung bestimmter kritischer Arzneimittel veröffentlicht. Mit einer solchen nationalen Bevorratung von rund 700 relevanten Arzneimitteln sollen Engpässe bei diesen Produkten künftig vermieden werden. Dies kommentiert Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, wie folgt: „Wir verstehen, dass die Politik zur Sicherstellung der Medikamentenversorgung aktiv sein möchte und es auch ist. Allerdings sind nationale Vorratslager nicht die richtige Lösung. Sie kosten viel Geld, sind aufwendig in der Betreibung und können die Medikamentenversorgung durch das zusätzliche Umlenken der Ware noch verschärfen. Der zielführendere Weg ist eine europäische, gesamthafte Strategie. Auch wenn wir damit die Situation nicht sofort verbessern, so wird sie auf lange Frist gesehen sicher nachhaltiger sein.“
Dies merkte auch die Europäische Kommission an. Ihr musste die Verordnung vor In-Kraft-Treten vorgelegt werden, zumal die Bevorratung von Medikamenten in einem Land wiederum die Warenverkehrsfreiheit in der EU einschränkt. Die Kommission hat der Bevorratung nicht widersprochen. Sie verwies in ihrer Stellungnahme aber einmal mehr darauf, dass einseitige Maßnahmen von Mitgliedstaaten negative Auswirkungen für andere Länder haben können. In diesem Sinne forderte die Kommission die Entwicklung eines gemeinsamen strategischen Konzepts mit allen EU-Mitgliedstaaten in 2024.
Im Kampf gegen Engpässe muss der Blick auf die hiesige Preissituation, damit verbunden auch auf den Produktionsstandort Österreich und in weiterer Folge auf ganz Europa gerichtet werden. Im Wettbewerb mit anderen starken Regionen wie den USA und China gerät Europa als Wirtschaftsregion immer weiter ins Hintertreffen. Dazu sagt Alexander Herzog: „Engpässe entstehen unter anderem dadurch, dass die Preise vieler Medikamente zu niedrig sind. Sie können folglich nur mehr in Regionen produziert werden, wo der finanzielle Aufwand dafür möglichst gering ist, also zumeist im asiatischen Raum. Weiters gibt es immer weniger Anbieter von zentralen Wirk- und Inhaltsstoffen. Das ist eine toxische Mischung, deren Folgen wir in den hiesigen Apotheken sehen, wenn wir ein Medikament nicht bekommen, weil es nicht verfügbar ist.“
Gerade in Österreich herrscht ein sehr niedriges Preisniveau am patentfreien Medikamentenmarkt. Die kostendeckende Versorgung mit Arzneimitteln wird dadurch bei vielen Produkten zur immer größeren Herausforderung für die Beteiligten in der Wertschöpfungskette, angefangen beim Hersteller über den Großhandel bis hin zu den Apotheken. „Die Anbieter und Partner der Lieferkette wissen um die Probleme, die ein zu niedriges Preisniveau verursacht. Allein die Politik hat dies noch nicht umfänglich erkannt“, so Herzog.
Im gleichen Zug plädiert die pharmazeutische Branche für eine nachhaltige Standortstrategie zur Medikamentenproduktion. Zwar ist eine umfassende, vollintegrierte Herstellung von allen Medikamenten von A bis Z in Europa und Österreich nicht realistisch, aber in einzelnen Sektoren kann die Produktion jedenfalls gestärkt werden. „Vor allem geht es darum, dass wir das, was wir haben, behalten und nicht auch noch an Asien oder andere Regionen mit niedrigeren Löhnen und günstigeren Rahmenbedingungen verlieren. Das ist zugegebenermaßen komplex und verlangt einen langen Atem, aber ein solcher würde sich mit Sicherheit in vielerlei Hinsicht lohnen“, ist Herzog überzeugt.
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